Gichtel, Johann Georg

(* 04.03.1638 Regensburg; † 21.01.1710 Amsterdam), deutscher Mystiker, Hrsg. der Schriften Jakob Böhmes (9 Bde., Amsterdam 1682).
G. war Sohn eines Steuerbeamten in Regensburg, studierte zunächst in Straßburg Theologie und wechselte dann zur Rechtswissenschaft. Nach kurzer Tätigkeit als Advokat in Speyer kehrte er 1664 nach Regensburg zurück. Für seinen weiteren Lebensweg war die Begegnung mit dem Juristen Justinian von Welz von Bedeutung, der in seiner Schrift De vita solitaria das Ideal eines weltabgewandten Christentums vertrat. In den 1660er Jahren forderte von Welz zur Bildung einer neuen Gesellschaft nach Mt. 28,18-20 (Misionsbefehl Jesu) auf. G. ließ sich für dieses Vorhaben gewinnen und war im Auftrag von Welz zunächst in Deutschland unterwegs.
Da er sich in Schmähschriften mit der Geistlichkeit Regensburgs und Nürnbergs anlegte, wurde er in Haft genommen, 1665 aus Regensburg ausgewiesen und fand daraufhin Zuflucht in Amsterdam, wo er mit mehreren Hausbrüdern und -schwestern zusammenlebte. G. verwarf den Ehestand und forderte sexuelle Askese, da der wahre Christ allein mit der himmlischen Sophia vermählt sei.
Seine Ansichten propagierte er in zahlreichen Sendschreiben, die als Theosophische Sendschreiben von Gottfried Arnold (1700) und später von Johann Wilhelm Überfeld (Leiden 1722, 6 Bde.) mit seiner Biografie unter dem Titel Theosophia practica herausgegeben wurden.
Die Mitglieder der von G. gestifteten kleinen Gemeinde in Holland wurden nach ihm Gichtelianer genannt. Sie selbst nannten sich Engelsbrüder, weil sie sich bis zur Reinheit der Engel zu erheben hofften.

W. (Auswahl): Theosophia Practica: die Verwandlung des mikrokosmischen Menschen bis zu seiner Wiedergeburt nach Seele, Geist und Körper. Aufgrund der 3. Ausg. von 1736 sanft ins heutige Dt. gebracht durch M.P. Basel: Ed. Oriflamme, 2011.
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