Buridans Esel

Bezeichnung des erdachten Beispiels, durch das der Scholastiker Jean Buridan (Johannes Buridanus, ca. 1300-1358) in Paris seine Ansicht von der Unmöglichkeit der Willensfreiheit zu erläutern versucht haben soll: Ein hungriger Esel, in die Mitte zweier gleich großer Heubündel gestellt, kann sich für keines der beiden entschließen und verhungert. Die Stelle konnte in seinen Schriften zwar nicht gefunden werden, wurde aber zur sprichwörtlichen Wendung. In der Ethik des Spinoza wird darauf angespielt. Der Gedanke ist nicht völlig neu, denn schon > Dante sagt: „Zwischen zwei gleich entfernten und gleich anlockenden Speisen würde der Mensch eher des Hungers sterben, als dass er bei der Willensfreiheit eine von ihnen zwischen die Zähne brächte“ (Parad. IV, 1-3), und > Aristoteles weist auf den „heftig Hungernden und Dürstenden hin, der gleich weit von Speise und Trank entfernt ist und der in Ruhe verharren muss“ (de coelo II, 13 p. 295b 32).
Das Beispiel bildet heute noch eines der zentralen Probleme der modernen Handlungstheorie. Nach der am meisten verbreiteten Auffassung sind derartige Symmetriesituationen unmöglich, da zwei Dinge nie vollständig gleich seien.

Lit.: Kirchner, Friedrich: Kirchners Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe/3. Neubearbeit. v. Carl Michalis. Leipzig: Meiner, 1911; Wörterbuch der philosophischen Begriffe: begründet von Friedrich Kirchner und Carl Michaelis, fortgesetzt von Johannes Hoffmeister, vollständig neu hg. von Arnim Regenbogen u. Uwe Meyer. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1998.
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