Germanische Religion

Germanen ist die Bezeichnung für eine bestimmte Gruppe von Völkerschaften (mit gemeinsamer Sprache und Kultur), die dem römischen Expansionsdrang im Norden eine definitive Schranke setzte. Der lateinische Ausdruck germani besagt: von gleicher Herkunft, echt, Geschwister.
Die Religion der G. kann man „Naturrelgion“ nennen. Eine eigene schriftliche Überlieferung der G. Alteuropas liegt nicht vor. Als wichtigste Götter nennt Tacitus Mercurius, Hercules und Mars, womit wohl Odin, Thor und Tyr gemeint sind. Der altnordischen Literatur nach gehören sie zu den Asen, die als Gottheiten des Krieges und der Herrschaft verehrt wurden. Ihnen gegenüber stehen die Wasen, die Fruchtbarkeitsgötter, deren Verehrung bis in die bronzezeitlichen Feldzeichnungen zurückverfolgt werden kann. Sie waren die Götter der bäuerlichen Bevölkerung. Im Mittelpunkt vieler Fruchtbarkeitskulte stand eine sog. Erdmutter.
Kultische Handlungen lassen sich in Form von Opfern in Häusern und Gehöften nachweisen. Geopfert wurden meist Sachgegenstände. Die besten Informationen liegen über die religiösen Vorstellungen der Nordgermanen vor. Als wichtigste Quelle gilt neben einigen Runenschriften die volkssprachliche Literatur Norwegens und Islands. Dazu zählen die bis ins 9. Jh. zurückreichend Skaldendichtung, die um 1270 niedergeschriebene Lieder-Edda mit Liedern aus dem 4. Jh., die jüngere Edda, das um 1220 verfasste Skaldenlehrbuch des Snorri Sturluson sowie die im 14. Jh. entstandenen Sagas.
Die Vorstellungen vom Aufenthalt der Toten sind uneinheitlich. Genannt werden das Grab, von dem aus der Verstorbene als Wiedergänger unter den Menschen auftreten kann, sowie ein unterseeisches Totenreich für Ertrunkene.
Mit der Ausführung öffentlicher Kulthandlungen waren Priester betraut, für den privaten Kult war das Familienoberhaupt zuständig. Die wichtigste Handlung war die Divination in Form von Los- oder Staborakeln. Im Hinblick auf Kriegszeiten sind von Priesterinnen ausgeführte Blut- und Eingeweideorakel überliefert. Vielfach belegt sind sog. Seherinnen (z.B. Veleda), die erheblichen politischen Einfluss ausübten.
Mit dem Glauben an die sakrale Stellung des Königs verbanden sich schließlich der Glaube an das Königsheil, die persönliche Verantwortung des Königs für ertragreiche Ernten sowie für inneren und äußeren Frieden.

Lit.: Koselleck, Reinhart (Hrsg.): Formen der Geschichtsschreibung: [Traditionen d. Geschichtsschreibung u. ihrer Reflexion; Fallstudien; systemat. Rekonstruktionen; Diskussion u. Kritik]. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1982; Auffarth, Christoph (Hrsg.): Wörterbuch der Religionen. Stuttgart: Kröner, 2006.
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