Du sollst nicht töten !

Ewige Furcht, Häftlingsbild aus Mauthausen, unbekannt

Ewige Furcht, Häftlingsbild aus Mauthausen, unbekannt

Nichts ist dringender, als dem Krieg entgegen zuarbeiten, und jedes Streben in dieser Hinsicht muss als löbliches Wirken im Sinne der christlichen Anschauung und zum allgemeinen Besten betrachtet werden“, Papst Leo XIII

Das Auge des ewigen Bruders

Virata, so heißt die Hauptperson dieser Legende, oder sagen wir besser, der Held dieser Legende. Virata kommt als siegreicher Feldherr aus einem glücklich beendeten Krieg heim. Doch in diesem Krieg hat er im Dunkel der Nacht seinen schlafenden Bruder erschlagen, ohne es zu wissen, dass es sein Bruder sei. Am kommenden Morgen nun sieht er zu seinem Entsetzen, was er getan. Groß und vorwurfsvoll stieren ihn die gebrochenen Augen seines von ihm erschlagenen Bruders an. Virata wird von Grauen erfasst; unablässig verfolgt ihn dieser Blick seines erschlagenen Bruders.

Bei der Siegesfeier überreicht der König seinem siegreichen Feldherrn zum Dank ein Schwert. Der Verfasser dieser Legende lässt nun Virata zum König sagen: „Gestatte, mein König, dass dieses Schwert im Schatzhaus bleibe, denn ich habe ein Gelöbnis getan in meinem Herzen, kein Schwert mehr zu fassen, seit ich meinen Bruder erschlug, den einzigen, der mit mir spielte auf meiner Mutter Händen … Ich erschlug meinen Bruder, auf dass ich nun wisse, dass jeder, der einen Menschen erschlägt, seinen Bruder tötet. Ich kann nicht Führer sein im Kriege, denn im Schwert ist Gewalt und Gewalt befeindet das Recht. Wer teil hat an der Sünde der Tötung, ist ein Toter. Ich aber will, dass nicht Furcht ausgehe von mir, und will lieber das Brot des Bettlers essen, denn Unrecht tun wider dieses Zeichen, das ich erkannte.“

Darauf der König: „Da du Schuld kennst und Schuld wägst als ein Gerechter, sollst du der Oberste meiner Richter sein und Urteil sprechen auf der Treppe meines Palastes, damit die Wahrheit gewahrt sein in meinen Mauern und das Recht behütet im Lande“.

Nun wird Virata oberster Richter. Er richtet streng, aber gerecht; erst nach reiflicher Überlegung fällt er sein Urteil. Da heißt es weiter in der Legende: „Niemals aber sprach Viratas Mund die Botschaft des Todes, auch nicht über den Schuldigsten und wehrte denen, die ihn mahnten. Denn er scheute Blut … Er verschloss die Missetäter in den Felsenkern, oder tat sie in den Berg, wo sie Steine brechen mussten für die Mauern der Gärten und die Reismühlen am Fluss, wo sie Räder mit den Elefanten drehten. Aber er ehrte das Leben“.

Da geschah es, dass Virata einen Jüngling, der vielfache Todesschuld auf sich geladen hatten den den die Kläger von weither brachten ….

Das Auge des ewigen Bruders, Stefan Zweig

Tief erschüttert griff ich nach Lesung dieser Legende zur Bibel und schlug daselbst die Worte auf, die einst Jesus Christus, der Weiseste aller Weisen, er, Gott selbst, er, der Weg, die Wahrheit und das Leben, gesprochen hat: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr einem der Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Was ihr einem meiner Geringsten hier nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan“ (Mt 25, 40.45). Und: „Ihr sollt euch nicht Meister nennen lassen, denn nur einer ist euer Meister, ihr aber seid Brüder. Auch Vater nennt keinen von Euch auf Erden, denn nur einer ist euer Vater: der im Himmel ist. Auch Lehrer lasst euch nicht nennen, denn nur einer ist eurer Lehrer: Christus. Der Größte unter euch soll euer Diener sein. Wer sich erhöht, wird erniedrigt werden, wer sich aber erniedrigt, wird erhöht werden“ (Mt 23, 8-12). Und: Wer bei euch groß werden will, der sei eurer Diener; und wer unter euch den Erste sein will, der sei der Knechte aller. Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sonder zu dienen, ja sein Leben als Lösegeld für viele hinzugeben“. (Mc 10, 43 ff).

Dienen und anderen das Gute zu erweisen kann aber nur einer, der die Liebe hat, die wahre, allumfassende, stets opferbereite, aus Gott stammende Liebe. Denn: „Gütig ist die Liebe, nicht eifersüchtig, nicht prahlerisch, nicht aufgeblasen, nicht unanständig. Sie sucht nicht das Ihre, lässt sich nicht erbittern, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht des Unrechtes, sie freut sich mit der Wahrheit. Sie duldet alles, glaubt alles, hofft alles, übersteht alles. Die Liebe geht niemals unter.“ (I. Kor 13, 4-8). „Denn das ganze Gesetz wir in dem einen Gebot erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ (Gal 5, 14). „Das Gebot: Du sollst nicht ehebrechen, nicht töten, nicht stehlen, kein falsches Zeugnis geben, nicht begehren, sowie jedes andere Gebot ist in dem einen inbegriffen: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe fügt dem Nächsten nichts Böses zu. Demnach ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes“ (R 14, 9f). Die Liebe aber müssen wir haben, denn: „Wer nicht liebt, bleibt im Tode“ (I. Jo 3, 14).

Also: Dienen in Liebe – das soll unseres Lebens Inhalt sein. Erst wenn wir das erfasst haben, werden wir auch das große Gebot verstehen: „Du sollst nicht töten!“ Wer tötet, hat nicht verstanden, was es heißt: „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ (Mt 22, 39).

Literaturempfehlung:

Du sollst nicht töten, Univ. Prof. Dr. Johannes Ude

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.