E

Nach Plutarch das zweite delphische Rätsel, worüber er eine eigene Schrift verfasste (Moralia). Nach ihm war der Buchstabe E, der im Tempel von Delphi hing, sehenswert wie eine Weihegabe, der man eine besondere Kraft zusprach. Immer wieder nach der Bedeutung des delphischen E gefragt, bietet Plutarch schließlich sieben Deutungen an:

E (epsilon) ist 1. der fünfte Buchstabe im Alphabet und steht auch als Zahlzeichen für „fünf“. 2. symbolisiert E als zweiter Vokal im Alphabet die Sonne als zweiten Planeten, der > Apollon gleichgesetzt ist. 3. steht E, das als EI ausgesprochen wurde, für „wenn“ und stellt damit die meisten Anfragen an das Orakel dar. 4. wird EI = „wenn, wenn doch“ oft bei Gebeten verwendet. 5. wird „wenn“ in der Logik oft zur Konstruktion eines Syllogismus gebraucht. 6. ist 5 eine bedeutsame Zahl in Mathematik, Philosophie und Musik, und da die geraden Zahlen als weiblich und die ungeraden als männlich gedeutet werden, bezeichnet 5 als Summe von 2 und 3 die Ehe der beiden. 7. EI bedeutet als Verb „du bist“ und wird von den Klienten als Ausdruck von Apollons Unsterblichkeit verwendet (Plutarch: Moralia 384-394).

Zu Plutarchs Zeit soll es das delphische E seit langem gegeben haben. Das älteste soll aus Holz gewesen, dann durch das von den Athenern gestiftete bronzene E ersetzt worden sein. Und schließlich ließ Livia, die Gattin des Augustus, ein goldenes E anbringen (Plutarch: Moralia 385 F-386 A.). Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) verwendete goldene Buchstaben (litterae aureae) bei der Beschriftung seiner wichtigen Monumente zum Zeichen dafür, dass ein Goldenes Zeitalter angebrochen ist.
Nicht zuletzt finden sich Abbildungen des rätselhaften E auch auf Münzprägungen der römischen Kaiserzeit.

Lit.: Plutarchus: Moralia. Darf man Tiere essen? Stuttgart: Reclam, 2015; Rosenberger, Veit: Griechische Orakel: eine Kulturgeschichte. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2001.
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