Andreas Resch: Volto Santo


DAS VOLTO SANTO
oder
DAS GEHEIMNIS VON MANOPPELLO.
DIE VERONIKA

  1. Seit dem Besuch des Heiligtums des Volto Santo (Heiliges Antlitz) in Manoppello bei Chieti, Italien, durch Papst Benedikt XVI. (Abb. 1) am 1. September 2006 hat der Volto Santo weltweite Resonanz gefunden. Neben vielen Fernsehstationen hat auch das ZDF das Thema unter der Regie von Friedrich Klütsch aufgegriffen. Zur wissenschaftlichen Untermauerung der Dokumentation wurde für den 25. Januar 2007 eine „Studientagung zum Volto Santo von Manoppello“ anberaumt, zu der das ZDF folgende Fachleute nach Manoppello einlud und vornehm betreute:
    Heinrich Pfeiffer SJ, Prof. für Kunstgeschichte und Theologe (Päpstliche Universität „Gregoriana“, Rom)
    Giulio Fanti, Prof. für nicht-invasive Messtechnik (Institut für mechanische und thermische Messungen, Universität Padua)
    Donato Vittore, Professor für Medizin (Traumatologisches Institut der Universitätsklinik Bari)
    Andreas Resch, Prof. em. für Psychologie und Paranormologie (Päpstliche Lateranuniversität, Rom; Institut für Grenzgebiete der Wissenschaft, Innsbruck)
    Dr. Oliver Hahn, Chemiker (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin, Fachgruppe IV.2 – Erhaltung von Kulturgütern)
    Sr. Blandina Paschalis Schlömer, Trappistennonne, ausgebildete Apothekerin
    Urte Krass, Kunsthistorikerin (in Vertretung von Prof. Gerhard Wolf, Kunsthistorisches Institut in Florenz, Max-Planck-Institut)
    Chiara Vigo, Kunsthandwerkerin aus Sant’Antioco, Sardinien.

Abb. 1: Papst BENEDIKT XVI., Volto Santo, 01.09.2006

Die Ausstrahlung der Dokumentation unter dem Titel „Das Jesus-Foto oder das Geheimnis von Manoppello“ erfolgte am Karfreitag, den 6. April 2007, um 18.00 Uhr. Sie befasste sich mit Geschichte und Eigenart des Volto Santo, bei dem es sich um die aus Rom verschwundene „Veronika“ handeln soll.
Es ist hier nicht daran gedacht, ein Urteil über den Film abzugeben, der sich neben allgemeinen geschichtlichen Hinweisen bei der Frage nach der Eigenart des Volto Santo nicht an den auf der Studientagung angesprochenen Themen orientierte, sondern von vornherein an der von Prof. Gerhard Wolf vertretenen Hypothese ausrichtete, dass das Volto Santo ein Gemälde aus dem 15. Jahrhundert sei. So wurden die Aufnahmen mit Wolf auch nicht auf der Tagung gemacht, bei der er sich, wie erwähnt, nur vertreten ließ. Dennoch bringt Wolf in der Schlussbemerkung durchaus seine Wertschätzung für das „Geheimnis von Manoppello“ zum Ausdruck.
Zur Unterstützung der Wolf’schen These wurde von den Tagungsteilnehmern Prof. Giulio Fanti herangezogen. Fanti hatte den Volto Santo durch die diesen umgebende Glasscheibe hindurch sowohl von der Vorder- als auch von der Rückseite aus mikroskopisch zu untersuchen und zu fotografieren. Die dabei angewandte Technik erlaubte bildfüllende Vergrößerungen am Monitor von Tuchausschnitten bis zu einer Breite von 3 mm. Das entspricht der Fläche, die auf dem Volto Santo von 9 bis 12 Kettenfäden eingenommen wird. Die Vergrößerungen wurden den Anwesenden auf Bildschirmen gezeigt und anschließend gespeichert.
Die Beiträge der übrigen Teilnehmer an der Tagung wurden in der Sendung nicht aufgegriffen, so auch mein Beitrag nicht, von dem nur einige Bilder Verwendung fanden. Ich habe dafür durchaus Verständnis, denn eine so differenzierte Diskussion kann in einen für die breite Masse gedachten Film schwerlich eingebaut werden. Hier müssen einfache Aussagen herhalten, wobei allerdings der Hinweis, dass Fanti durch die Feststellung von Farbpigmenten Prof. Vittore widersprochen und damit das Geheimnis des Volto Santo insgesamt gelüftet habe, weder den Darlegungen von Vittore noch jenen von Fanti gerecht wird. In diesem Punkt dienten die Tagungsteilnehmer lediglich zum Anstrich der Wissenschaftlichkeit. Die folgenden Ausführungen sollen daher den Sachverhalt in der unterbreiteten Form aufzeigen, wobei aus Platzgründen nur auf die empirische und statistische Untersuchung des Volto Santo durch Vittore, Fanti und Resch eingegangen werden kann, während auf die Beiträge der übrigen Teilnehmer am Rande verwiesen wird.

DAS VOLTO SANTO

Zunächst ist festzuhalten, dass es sich beim Volto Santo von Manoppello, der Veronika, um ein in ein Tüchlein imprägniertes Bild handelt, das – zwischen zwei Glasscheiben eingespannt – in einem Rahmen mit der lichten Größe von 240 x 175 mm ruht (Abb. 2).

Abb. 2: Reliquiar

Abb. 3: Schleier bei starkem Licht

Das Tüchlein ist aus feinstem Stoff, vermutlich aus Byssus. Die Fäden weisen einen mittleren Durchmesser von 120 µm auf, können jedoch von einer zur anderen Zone um bis zu 50% variieren. Das Gewebe ist sehr unregelmäßig, elementar und wurde nach traditioneller Art mittels eines Schaftwebstuhls hergestellt. In der Horizontalrichtung lassen sich je Zentimeter 27 ± 2 Fäden ausmachen. Der Achsenabstand der einzelnen Fäden beträgt im Mittel 370 µm, sodass der leere Zwischenraum von Faden zu Faden bei 250 ± 100 µm liegt, was dem Gewebe Einmaligkeit verleiht. Aus diesem Grund ist es mehr als halbdurchsichtig und wird „Schleier“ genannt (Abb. 3). Jeder Faden besteht aus 60 ± 35 Fasern mit einem Durchmesser von 14 ± 6 µm. Der Schuss verläuft rechtwinklig zur Kette. Der Achsenabstand liegt im Mittel bei 270 µm.

Abb. 4: Schleier Vorderseite

Abb. 5: Schleier Rückseite

Das Bild zeigt das Antlitz eines Mannes mit offenen Augen, dünnem Bart und Schnurrbart sowie verlängerter und leicht geschwollener Nase im Verhältnis zur Nasenscheidewand und wird nach der Tradition als das Antlitz Christi bezeichnet. Das Antlitz ist auf beiden Seiten des Schleiers sichtbar (Abb. 4-5) und nimmt je nach Art der Beleuchtung verschiedene Ausdrucksformen an.

UNTERSUCHUNGEN VON DONATO VITTORE

Abb. 6: Prof. Donato Vittore

Prof. Donato Vittore1 (Abb. 6) fotografierte das Bild des Volto Santo mit einem hochauflösenden Scanner und kam bei der Analyse der Aufnahme zu folgender Feststellung:
Zwischen den Fäden des Schleiers finden sich keinerlei Farbpigmente oder sonstige Ablagerungen; jede Art von Malerei, auch die des Aquarells, ist auszuschließen; ebenso wenig kann von einem Abdruck die Rede sein, weil das Bild auf beiden Seiten gleichermaßen sichtbar ist; der Faden wurde auch nicht vor dem Weben des Schleiers gefärbt, weil er in seinem Verlauf eine unterschiedliche Farbgebung aufweist.
Damit wurde in der Erforschung des Volto Santo eine experimentelle Diskussion eingeleitet, die vor allem durch die technischen Untersuchungen von Prof. Giulio Fanti und die mathematischen Entsprechungsdarstellungen zum Antlitz auf dem Grabtuch sowie durch Christusdarstellungen im ersten Jahrtausend in meiner Arbeit2 eine weitere Abklärung erfuhr.

UNTERSUCHUNGEN VON GIULIO FANTI

Abb. 7: Prof. Giulio Fanti

Giulio Fanti (Abb. 7) unterzog das Volto Santo im Jahr 2001 mehreren Analysen, deren Ergebnisse er nach einer Reihe weiterer Mikroaufnahmen zu den folgenden Untersuchungen im Februar 2007 neu formulierte:

– Mikroskopische Analyse
– Analyse im ultravioletten Licht
– Analyse im Infrarotlicht
– Spektrofotometrische Analyse im Sichtbereich
– Analyse der Dreidimensionalität

Resultate der durchgeführten Analysen

Mikroskopische Analyse

Es wurden verschiedene Aufnahmen im Reflexlicht wie im Durchlicht gemacht, sowohl mittels eines mit einer Mikrooptik verbundenen Fotoapparats als auch mit einem digitalen Mikroskop mit einer Auflösung bis zu 10μm; dabei lässt sich nach Fanti Folgendes feststellen:

„1) In Übereinstimmung mit dem, was Prof. Vittore vorgefunden hat, befinden sich in den Zwischenräumen von Faden zu Faden keinerlei Pigmente oder sonstige Ablagerungen.

2) Es findet sich keinerlei Art von Pigment mit einem Durchmesser größer als 10μm, das für die Färbung des Fadens verantwortlich gemacht werden könnte; nach dem Vorhandensein eventueller Pigmente muss daher in Partikeln gesucht werden, die kleiner sind als jene, die sich mittels Aquarelltechnik auftragen lassen.

3) Aufgrund der eingeschränkten optischen Auflösung ist es schwierig, festzustellen, ob es zwischen den Fasern eine Art von Zementierung gibt, und es kann nicht gesagt werden, ob die leichte Färbung des Gewebes chemischen Ursprungs ist oder sich einer zugeführten Substanz verdankt.

Abb. 8: Bereich Auge – Nase

Abb. 9: Bereich zwischen Iris (links) und Pupille

In einigen Bereichen des Bildes auf dem Schleier hat man jedoch das Vorhandensein von Pigmenten mit einer Korngröße von 15μm festgestellt, die – auch wenn sie nicht primär für die Bildentstehung verantwortlich zu machen sind – von einem mittelalterlichen Maler hinzugefügt worden sein könnten, um den Ton der bereits verblassten Farbe aufzufrischen. Insbesondere Abb. 8 (Bereich zwischen Auge und Nase) und 9 (Pupille) zeugen von diesem Vorhandensein.

Abb. 10: Mund: Kontur des Zahnes

Zudem ist anzumerken, dass auch bei mittlerer Vergrößerung (60x) die verschiedenen Zonen des Bildes deutlich auszumachen sind. So sieht man z.B. in Abb. 10 ganz klar den Bereich des Zahnes und den umliegenden dunkleren Bereich. Das besagt, dass die räumliche Änderung der Farbtönung in der Größenordnung von einem halben Millimeter liegt.
Im Gegensatz dazu zeigt das Grabtuch, das die Eigenschaft hat, keine Unterscheidung von Besonderheiten einer Umgebungszone zuzulassen, räumliche Änderungen der Farbtönung im Zentimeterbereich: Macht man eine Makro-Aufnahme mit Einzelheiten in der Größenordnung von einem Zentimeter, verschwindet das Bild.

Analyse bei ultraviolettem Licht

Abb. 11: Infrarotbild des Volto Santo

Der Schleier wurde mit einer Wood-Lampe beleuchtet, um die emittierte Strahlung qualitativ zu analysieren. Weder das Gewebe noch das Bild des Schleiers weisen eine nennenswerte Fluoreszenz auf. Hingegen zeigen die Zeichen der Restaurierung in der oberen rechten und linken Ecke eine deutliche Fluoreszenz.

Infrarotanalyse

Infrarotaufnahmen haben im Allgemeinen die Eigenschaft, jene durch Pigmente oder Komponenten verursachten Diskontinuitäten hervorzuheben, die der Gleichmäßigkeit des Gewebes entgegenstehen. Der Schleier wurde mit Glühlampen beleuchtet und mit Infrarotfilm fotografiert. Man beachte das Hervorstechen der Pupillen und einiger Stellen im Haarbereich (Abb. 11).

Spektrofotometrische Analyse im Sichtbereich

Zur Analyse des Spektrums des emittierten Lichts bei sichtbarem Licht wurde ein Spektrofotometer verwendet. Jede Kurve ist typisch für einen bestimmten Farbtonwert. Die Resultate der Absorptionsspektren sind in Abb. 12 dargestellt. Man beachte z.B. die unterschiedliche Färbung von Augapfel (Punkt 3), Haaren (Punkt 6) und Oberlippe (Punkt 7).

Abb.: 12: Spektrofotometrische Analyse

Analyse einiger runder Zonen des Schleiers im Durchmesser von 2mm. Punkt 1 und 3: Augapfel (klar);
Punkt 2: Pupille; Punkt 4: roter Fleck ober dem Auge; Punkt 5: roter Fleck zwischen Auge und Schläfe; Punkt 6: Haare; Punkt 7: Oberlippe; Punkt 8: dunkle Zone zwischen den Zähnen; Punkt 9: Stirn

Das Bild des Volto Santo wurde mit einer Software bearbeitet, mit der die dreidimensionalen Eigenschaften aufgezeigt werden können. Im Einzelnen lässt sich so eine proportionale Tiefe der Ebenen der Leuchtdichte des in Schwarz-Weiß konvertierten Bildes feststellen. Die Ausarbeitungsergebnisse sind aus Abb. 13 abzulesen.
Im Vergleich dazu wird auch das Ergebnis einer dreidimensionalen Ausarbeitung des Antlitzes des Mannes auf dem Turiner Grabtuch dargestellt (Abb. 14).

Abb. 13: Volto Santo dreidim.

Abb. 14: Grabtuch dreidim.

Man kann sehen, dass das Volto Santo geringere dreidimensionale Eigenschaften aufweist, weshalb die Quetschung der Nasenspitze und die Vertiefung der Augenhöhlen hervorstechen. Hingegen ist im Vergleich zum Antlitz des Grabtuches die Ähnlichkeit in der Anschwellung des rechten Jochbogens und der Nasenscheidewand hervorzuheben.“3

Vergleich des Volto Santo mit dem Antlitz auf dem Grabtuch

Wie im Abschnitt „Resultate der durchgeführten Analysen“ dargelegt, bestehen zwischen dem Volto Santo und dem Antlitz auf dem Grabtuch große Ähnlichkeiten und Konvergenzen, aber auch wesentliche Unterschiede.
In der folgenden Analyse weist Fanti vom physikalischen Gesichtspunkt aus auf Elemente sowohl der Übereinstimmung als auch der Verschiedenheit der beiden Antlitze hin:

„Dreidimensionalität
Das Bild des Volto Santo weist keine eindeutigen Eigenschaften von Dreidimensionalität auf, während das Körperbild des Grabtuches von Turin markante Eigenschaften der Dreidimensionalität besitzt, die wichtige Informationen über den Abstand des Körpers zu dem Tuch, in das er gehüllt war, liefern.
Fazit: Keine Ähnlichkeit zwischen den beiden Tüchern.
Besonderheiten des Volto Santo
Das Bild des Volto Santo zeigt einige physische Ähnlichkeiten mit dem Antlitz auf dem Grabtuch, darunter die Schwellung an der Wange und die Schwellung der Nasenscheidewand.
Fazit: Es gibt Ähnlichkeiten zwischen den beiden Bildern.
Oberfläche des Bildes
Eine der Eigenschaften des Grabtuchbildes ist seine extreme Oberflächenbezogenheit in dem Sinne, dass die Leinenfäden, die aus Hunderten von Fasern gebildet sind, die für das Bild typische bräunliche Färbung maximal auf den ersten drei Oberflächenfasern aufweisen.
Das Bild des Volto Santo scheint hingegen alle Fasern zu betreffen. Es ist nämlich von der Vorder- wie von der Rückseite gleichermaßen klar zu erkennen.
Fazit: Keine Ähnlichkeit zwischen den beiden Bildern.
Farbliche Gleichmäßigkeit des Bildes
Eine der Eigenschaften des Grabtuchbildes ist seine farbliche Gleichmäßigkeit: die verschiedenen Farbtöne hängen von der betroffenen Anzahl der Fasern ab.
Das Bild des Volto Santo scheint hingegen durch verschiedene Farbtöne gekennzeichnet zu sein.
Fazit: Keine Ähnlichkeit zwischen den beiden Bildern.
Chemische Eigenschaften des Bildes
Das Bild des Volto Santo wurde vom chemischen Standpunkt aus noch nicht analysiert, weshalb sich keine Schlüsse ziehen lassen. Auf alle Fälle kann man in einigen Bereichen Pigmente ausmachen. Das Grabtuchbild hat seine gelblich-braune Färbung aufgrund der Oxidation/Dehydration der die Leinenfasern umgebenden Polisaccharidschicht. Zudem zeigen die für das Bild verantwortlichen Fasern eine abgetragenere Oberfläche als die bildfreien Fasern.
Fazit: Keine Ähnlichkeit zwischen den beiden Bildern; zuverlässige Untersuchungen stehen noch aus.
Räumliche Veränderungen des Bildkontrastes
Das Bild des Volto Santo zeigt schroffe Kontrastveränderungen, die auch bei mittlerer Vergrößerung Details ausmachen lassen.
Das Grabtuchbild hingegen ist von einem Beobachter, der sich in einer Entfernung von weniger als 1-2 m aufstellt, nicht wahrnehmbar.
Fazit: Keine Ähnlichkeit zwischen den beiden Bildern.
Zementierung der Fasern des Bildes
Zumindest in einigen Punkten zeigen sich beim Bild des Volto Santo zwischen den Fasern Spuren von Zementierung.
Das Grabtuchbild zeigt hingegen keine Spuren von Zementierung zwischen den Fäden bzw. Fasern des Körperbildes, denn der Ursprung der Pigmentierung ist chemischer Art. Eine deutliche Zementierung ist jedoch zwischen den mit Blut getränkten Fasern zu beobachten.
Fazit: Keine Ähnlichkeit zwischen den beiden Bildern.
Geometrische Verzerrung des Bildes
Weder das Bild des Volto Santo noch jenes auf dem Grabtuch zeigen jene typische „zylinderförmige Verzerrung“, die sich ergibt, wenn das Gesicht mit einem Tuch umhüllt wird.
Fazit: Es gibt Ähnlichkeiten zwischen den beiden Bildern.“4

UNTERSUCHUNGEN VON ANDREAS RESCH

Während sich die Forschungen der Kollegen Vittore und Fanti vornehmlich mit der physikalisch-chemischen Struktur des Volto Santo befassen – wobei Fanti auch Hinweise auf das Körperbild des Grabtuches gibt –, konzentrieren sich meine Untersuchungen auf die Entsprechungen von Volto Santo, Grabtuch, Christusdarstellungen in den Katakomben, Mosaik in S. Pudenziana in Rom, Reliquienkreuz von Justin II. und den zahlreichen Ikonen, von denen einige gezielt ausgewählt wurden. Bei der genannten Tagung habe ich darüber berichtet und aus Zeitmangel die Bilder ausgehändigt, die zum Teil Verwendung fanden, ohne jedoch in eine weitere Betrachtung einbezogen zu werden. Dies war bei einer Darstellung des Volto Santo als Gemälde aus dem 15. Jahrhundert grundsätzlich nicht möglich, weil sich meine Argumentation auf die Zeit vor dem 12. Jahrhundert bezieht.
Da ich in meinem Buch Das Antlitz Christi5 die Geschichte des Volto Santo und des Antlitzes auf dem Grabtuch ausführlich dargestellt habe, sollen hier nur die Entsprechungen des Volto Santo mit dem Antlitz auf dem Grabtuch, jenem des Guten Hirten und des Thronenden Christus in den Katakomben sowie insbesondere mit den Christusmedaillons auf dem Reliquienkreuz Justins II. zur Sprache kommen.

Renzo Allegri, Sr. Schlömer, Prof. Pfeiffer
und die Seherin Valtorta

Meine Arbeit an den Entsprechungen des Volto Santo mit anderen Darstellungen wurde ursprünglich durch Prof. Heinrich Pfeiffer SJ und die Herausgabe der von Sr. Blandina Paschalis Schlömer gemachten Beobachtungen und Erkenntnisse zu den Entsprechungen des Antlitzes auf dem Volto Santo und auf dem Grabtuch angeregt. Schlömer befasste sich als Ikonenmalerin seit 1979 mit dem Übereinanderlegen von Folien der beiden Antlitze. Den Anstoß dazu gab der Artikel „Das Volto Santo von Manoppello“ von Renzo Allegri und Paul O. Schenker in der Zeitschrift Das Zeichen Mariens vom November 1978.6
Nach dem Studium der Darlegungen von Schlömer begab sich Prof. Pfeiffer im Herbst 1986 nach Manoppello. Beim ersten Anblick des Volto Santo kam ihm spontan der Satz in den Sinn: „Das ist die verschollene Veronika von St. Peter in Rom.“ Um dies auch geschichtlich zu untermauern, veröffentlichte er seine Untersuchungen im Band II von Das Turiner Grabtuch und das Christusbild mit dem Untertitel Das echte Christusbild.7

Abb. 15: Maria Valtorta (1897-1961)

Auf dieses Buch hin lud ich Pfeiffer zum XV. Internationalen IMAGO MUNDI-Kongress 1995 nach Innsbruck ein, wo er in je einem Vortrag über das Grabtuch von Turin und den Schleier von Manoppello sprach.8 Damit kam der Stein im deutschen Sprachraum ins Rollen, vor allem durch die Veröffentlichungen der Bücher Der Schleier von Manoppello und das Grabtuch von Turin (Schlömer, 1999)9, Das Antlitz Christi (Resch, 2004)10 und insbesondere Das Muschelseidentuch (Badde, 2005)11.
Mein Einsatz wurde dann vor allem durch die bereits am 22. Februar 1944 erfolgte Aussage der Mystikerin Maria Valtorta (1897-1961, Abb. 13) beflügelt, die in der deutschen Ausgabe ihrer Schriften allerdings gestrichen wurde, weshalb ich sie hier in eigener Übersetzung anführe:
„Der Schleier der Veronika ist auch ein Stachel in eurer skeptischen Seele. Ihr Lauen und Wankelmütigen im Glauben, die ihr mit strengen Untersuchungen voranschreitet, ihr Rationalisten, vergleicht den Schleier des Schweißtuches mit dem Grabtuch. Das eine ist das Antlitz eines Lebenden, das andere das eines Toten. Länge, Breite, somatische Merkmale, Form, Eigenheiten sind jedoch gleich. Legt die Bilder übereinander. Ihr werdet sehen, dass sie übereinstimmen. Ich bin es. Ich, der euch zeigen wollte, wie ich war und wie ich aus Liebe zu euch wurde. Würdet ihr nicht zu den Verlorenen, zu den Blinden gehören, müssten jene zwei Antlitze genügen, um zur Liebe, zur Reue, zu Gott zu führen.“12
Ermuntert durch die Voruntersuchungen, fragte ich mich in meiner Eigenschaft als Paranormologe, ob diese Aussage von Valtorta zu verifizieren sei oder nicht. Wenn ja, haben wir es mit einer mystischen Audition zu tun, wenn nicht, mit einem Phantasieprodukt, womit auch die Sehergabe von Valtorta in Frage zu stellen wäre.

Orientierungs- und Konkordanzpunkte

Die Überprüfung einer Deckungsgleichheit erfordert zunächst die Erstellung von Orientierungs- und Konkordanzpunkten der beiden Bilder, im konkreten Fall: vom Antlitz des Volto Santo und dem Antlitz auf dem Grabtuch. Dabei müssen so viele und so eindeutige Punkte geprüft werden, dass eine volle Deckungsgleichheit der Gesichtssymmetrien mit unverwechselbaren Einzelmerkmalen gegeben ist. Diese Punkte sind dann in eine Skizze einzubauen, die für beide Antlitze die Deckungsgleichheit garantiert.
Die folgenden Darstellungen zeigen die Orientierungs- und Konkordanzpunkte auf dem Antlitz des Volto Santo, der Veronika (V), und des Grabtuches (G). Mit V, G bzw. G, V wird – je nach Dominanz von Veronika oder Grabtuch – auf die jeweiligen Konkordanzpunkte des Antlitzes auf Veronika und Grabtuch verwiesen.
1 Haarbüschel (V) auf der Stirn der Veronika wurde zu einem Grundelement der Ikonenmalerei.
2 Längslinie (G) durchzieht das gesamte Antlitz auf dem Grabtuch.
3 Blutspuren (G): Die vier ausgewiesenen Blutspuren finden sich auf dem Grabtuch.
4 Dunkle Zone (V) auf der Seite des rechten Auges der Veronika erleichtert die Einpassung der Skizze.
5 Augenbrauen (V, G) sind auf der Veronika besonders gut sichtbar, während sie auf dem Grabtuch in groben Konturen auszumachen sind.
6 Querlinie (G) durch das linke Auge auf dem Grabtuch ist ein besonders markanter Orientierungspunkt bei der Einpassung der Skizze.
7 Pupillen (V, G) sind auf der Veronika besonders ausgeprägt, während sie auf dem Grabtuch nur indirekt ausgemacht werden können, da die Augen geschlossen sind.
8 v-Form(G), dreieckiger weißer Fleck am unteren Lid des linken Auges auf dem Grabtuch, der mit 9 eine besonders genaue Einpassung ermöglicht.
9 Blutstropfen(G) am unteren Lid des rechten Auges auf dem Grabtuch ermöglicht mit 8 eine absolute Genauigkeit der Skizze.
10 Rötung (V) auf der linken Wange des Schleiers erleichtert die Einpassung in Skizze und Grabtuch.
11 Fleck (V) an der linken Seite der Nase auf der Vorderseite der Veronika dient nicht nur der Einpassung der Veronika in die Skizze und in das Grabtuch, sondern auch zur Unterscheidung von Vorder- und Rückseite des Schleiers.
12 Flecken (V), dreieckig und bräunlich auf der rechten Wange des Schleiers, verfeinern zusätzlich die Einpassung der Antlitze in die Skizze.
13 Nase rechts (V, G): Ein besonders ausgeprägter dunkler Fleck an der rechten Seite der Nase der Veronika weist auf dem Antlitz des Grabtuches eine unscharfe Entsprechung auf.
14 Nase links (G, V) des Antlitzes auf dem Grabtuch lässt eine dunkle Stelle ausmachen, die auch auf der Veronika eine Entsprechung hat.
15 Oberlippe (V) der Veronika ist besonders ausgeprägt und ermöglicht eine genaue Einpassung der Mundpartie.
16 Punkt (V, G) an der Oberlippe des Antlitzes auf dem Grabtuch, klein und weiß, sichert das Einpassen der Oberlippe der auf das Antlitz des Grabtuches ab.
17 Quetschung (V) an der Oberlippe des Antlitzes auf dem Schleier.
18 Linien (G), Zahn (V): Zwei weiße Linien, eine in Form eines v, im Mundbereich des Antlitzes auf dem Grabtuch decken sich mit dem unteren Ende des oberen Zahnbereiches der Veronika.
19 Unterlippe (V) der Veronika ist ebenfalls sehr ausgeprägt und unterstützt zusätzlich die genaue Einpassung der Mundpartie.
20 Querfalte (G): Die große weiße Querfalte unter dem Antlitz des Grabtuches ist unabdingbar für die Erstellung und Einpassung der Skizze.

Abb. 16: Orientierungspunkte: Antlitz – Grabtuch

Abb.17: Orientierungspunkte: Antlitz – Schleier

Abb. 18: Konkordanzpunkte: Antlitz Schleier – Grabtuch

Abb. 19: Antlitz Grabtuch – Schleier – Skizze – Legende

Einmal eingepasst, ließen sich unendlich viele Punkte ausmachen, doch ginge damit der Überblick verloren. Ich habe mich daher auf 17 Orientierungspunkte am Antlitz auf dem Grabtuch (Abb. 16) und auf 18 solche Punkte am Antlitz auf dem Schleier (Abb. 17) beschränkt, von denen 8 im sichtbaren Bereich als Kongruenzpunkte ausgemacht werden konnten (Abb. 18). Das ergaben das in Abb. 19 dargestellte Kongruenz- und Orientierungsbild sowie die daraus resultierende Skizze (Abb. 20). Diese konnte zudem noch an den von Fanti13 auf der Rückseite des Grabtuches festgestellten Gesichtskonturen in ihrer Zuverlässigkeit geeicht werden (Abb. 21).

Abb. 20: Skizze: Grabtuch – Schleier

Abb. 21: Skizze auf Konturbild der Grabtuchrückseite

Mit der angeführten Bezeichnung der einzelnen Punkte der Skizze ist es unschwer, anhand der in Abb. 22-25 dargestellten Antlitze von Volto Santo und Grabtuch die eingepasste Skizze zu deuten.

Abb. 22: Antlitz – Original auf Grabtuch und Skizze

Abb. 23: Antlitz – Fotonegativ auf Grabtuch mit Skizze

Abb. 24: Antlitz auf Schleiervorderseite mit Skizze

Abb. 25: Antlitz auf Schleierrückseite mit Skizze

Volto Santo, Grabtuch und Christusdarstellungen
in den Katakomben

Bekanntlich finden sich die ältesten Darstellungen Christi in den Malereien der Katakomben. Es stellt sich daher unweigerlich die Frage, ob diese Darstellungen des Antlitzes Christi Gesichtszüge der Antlitze auf dem Volto Santo und dem Grabtuch aufweisen. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass Christusdarstellungen in den ersten Jahrhunderten noch undenkbar waren.
Selbst als man hier Bilder zu malen begann,wagte zunächst noch niemand, die zentralen Ereignisse der Heilsgeschichte oder gar ein Porträt Christi abzubilden. Allerdings bahnte sich das menschliche Anschauungsbedürfnis schon frühzeitig einen gangbaren Weg, um auch in die unterirdischen Behausungen der Toten Farbe und Hoffnung zu bringen.
Man stellte Christus einfach in Symbolen und in vorausweisenden alttestamentlichen „Typen“ dar, wie in den Motiven des Jona mit dem Fisch, der Arche Noah, des Auszugs aus Ägypten, des Guten Hirten. Wenngleich der Gute Hirte bekanntlich nicht als Christusbild im eigentlichen Sinne bezeichnet wird, obwohl er – wie wir erstmals zeigen können – die Züge des „nicht von Menschenhand“ (Acheropita) gemachten Bildes aufweist, handelt es sich dabei doch um ein, wenn auch verstecktes, Christusporträt.

Abb. 26: Skizze auf Antlitz des Guten Hirten

Der Gute Hirte (Priscilla-Katakombe)
Der Gute Hirte, das häufigste Bild in den römischen Katakomben, ist hier dem Deckenbild des Velatio-Grabes der Priscilla-Katakombe entnommen, das aufgrund der Inschriften und Malereien sehr präzise in die ersten Jahrzehnte des 3. Jahrhunderts datierbar ist.
Wie erwähnt, sollte der Gute Hirte nur als ein Hinweis auf Christus als den wahren Guten Hirten verstanden werden. Umso erstaunlicher ist es, dass selbst bei dieser symbolhaften Darstellung die Proportionen des Gesichts der Skizze vom Volto Santo und vom Antlitz auf dem Grabtuch vollkommen entsprechen, wobei die Vorderseite des Volto Santo zur Deckung kommt (Abb. 26).

 

Abb. 27: Antlitz des Thronenden Chistus mit Skizze

Thronender Christus (Katakombe des Petrus und Marcellinus)
Die vornehm ausgestattete Grabkammer im Friedhof der Heiligen Petrus und Marcellinus an der Via Labicana in Rom zeigt in dem um 350 entstandenen Deckengemälde Christus zwischen den Aposteln Petrus und Paulus. In diesem Fresko begegnen wir bereits einem echten Porträt Christi mit langem Haupthaar und kurzem Bart.
Der Gesichtsausdruck und die Übereinstimmung der Gesichtsproportionen mit dem Antlitz auf dem Grabtuch und dem Volto Santo bilden eine vollkommene Entsprechung. Dabei kommt nur die Rückseite des Volto Santo zur Deckung (Abb. 27).

 

Volto Santo, Grabtuch und Reliquienkreuz Justins II.

Neben den Entsprechungen der Proportionen des Antlitzes auf dem Volto Santo und dem Grabtuch mit den Christusdarstellungen in den Katakomben überrascht sicherlich am meisten die Übereinstimmung dieser Proportionen mit den Christusmedaillons auf dem Längsbalken der Rückseite des Reliquienkreuzes von Justin II. von Byzanz.
Unter Kaiser Justin II. (565-578) wurde 574 die Acheropita, das nicht von Menschenhand gemachte Bild, der Schleier mit dem Christusporträt, von Kamulia bei Edessa in Kappadozien nach Konstantinopel übertragen. Dort ersetzte der Schleier das Labarum, die Standarte Konstantins, die unter Julian II. Apostata (ca. 361-363) profaniert worden sein soll und daher nicht mehr den kaiserlichen Heeren vorangetragen wurde. Neues Reichspalladium oder Schutzpanier des Reiches wurde nun 574 der Schleier von Kamulia mit dem Christusantlitz und blieb dies bis etwa 700. Solche Palladien der Herrscher waren jedoch nicht zum Anschauen da, sondern es war geradezu normal, dass man sie verborgen hielt und lediglich Nachbildungen zeigte. So hatten beispielsweise die Vestalinnen das angeblich aus Troja stammende römische Palladium unter Arkandisziplin zu schützen; Abbildungen wurden hingegen gestattet.

Abb. 28: Reliquienkreuz Justins II., Vorderseite

Abb. 29: Reliquienkreuz Justins II., Rückseite

Wie sehr dieses Christusbild bereits bekannt war und verehrt wurde, geht allein schon aus der Tatsache hervor, dass Kaiser Justin II. bereits vor der Übertragung des Schleiers von Kamulia nach Konstantinopel Papst Johannes III. (561-574) um 570 ein Reliquienkreuz (Abb. 28 und 29) schenkte, mit den Porträtmedaillons des Kaisers und seiner Gemahlin auf dem Querbalken der Rückseite und zwei Christusmedaillons auf dem Längsbalken der Rückseite. Das Kreuz ist heute noch im Schatz von St. Peter in Rom unter der Standnummer 8 zu sehen.

Das Christusbild am oberen Ende vom Längsbalken des Reliquienkreuzes
Die hier gezeigte Übereinstimmung der Skizze der Proportionen des Volto Santo und des Antlitzes auf dem Grabtuch mit dem Christusmedaillon am oberen Ende des Längsbalkens auf der Rückseite des Reliquienkreuzes ist allein schon deswegen beachtenswert, weil die Schenkung noch vor der Überführung des Schleiers aus Kamulia 574 erfolgte. Das besagt nicht nur, dass das Bild bereits bekannt war und man ihm große Verehrung entgegenbrachte, sondern dass auch im Osten das Kamulia-Bild in seinen genauen Proportionen als das verpflichtende Grundmodell für Christus-Darstellungen galt.
Besonders hervorzuheben ist das deutlich sichtbare Haarbüschel (Abb. 30), ein Charakteristikum des Volto Santo. Zu beachten ist auch, dass die Vorderseite des Volto Santo deckungsgleich ist. Wer sich hier nur auf das Grabtuch beruft, geht an den offensichtlichen Gegebenheiten vorbei.

Das Christusbild am unteren Ende vom Längsbalken des Reliquienkreuzes
Die Proportionen des Antlitzes auf dem Volto Santo und des Antlitzes auf dem Grabtuch decken sich auch mit den Proportionen des Christusbildes am unteren Ende des Längsbalkens des Reliquienkreuzes Justins. Das Haarbüschel ist nur im Ansatz erkennbar, das wohl durch allzu zahlreiche Berührungen der Stirn reichlich abgewetzt erscheint. Wenngleich die Darstellung des Antlitzes länglicher und stilisierter anmutet, vor allem was Haare und Gesichtszüge betrifft, sind die Proportionen von Mund, Nase und Augen gleich. Auch hier kommt die Vorderseite des Volto Santo zur Deckung (Abb. 31).

Abb. 30: Reliquienkreuz Justins II., Christusmedaillon am oberen Ende des Längsbalkens mit Skizze

Abb. 31: Reliquienkreuz Justins II., Christusmedaillon am unteren Ende des Längsbalkens mit Skizze

Diese Entsprechungen mit den ältesten Christusmedaillons sind offensichtlich und statistisch von höchster Signifikanz. Das besondere Charakteristikum des Volto Santo, das Haarbüschel, ist auf dem oberen Christusmedaillon des Justinkreuzes unverkennbar. Will man kunsthistorisch die Darstellungsform des Antlitzes auf dem Volto Santo in das 15. Jahrhundert datieren, so muss man auch die Deckungsgleichheit mit einer Plastik des 6. Jahrhunderts in den Einzelheiten, insbesondere des Haarbüschels, erklären. Sollte man annehmen, dass der hypothetische Maler des Volto Santo damals im „Schatz von St. Peter“ die Medaillons des Justinkreuzes zum Modell nahm? Zudem ist noch die Frage zu beantworten, warum die Medaillons gerade das besondere Charakteristikum des Volto Santo zeigen. Woher hatte der Künstler von damals die Information? Vielleicht doch vom wahren Christusbild, um das Kaiserin Konstantia, die Witwe des ehemaligen Mitkaisers Konstantin Licinus, den „Vater der Kirchengeschichte“, Eusebius von Cäsarea (ca. 260-339), bat, das dieser aber als entschiedener Gegner der Bilderverehrung ablehnte. Jedenfalls stand das echte Christusbild, das nicht von Menschenhand gemachte, wohlbekannt, in höchster Verehrung und war damals im Besitz Justins II. Es ist doch völlig undenkbar, dass sich dieser für die Christusdarstellung auf den genannten Medaillons einfach irgendwelcher Phantasiebilder und nicht des „wahren Christusbildes“ bediente, stellte er sich dabei doch gegen die vor allem im Osten herrschende Ablehnung von Christusdarstellungen. Zudem war das Kreuz ein Geschenk an den Papst, wo eine reine Phantasiedarstellung eines Christusporträts schlichtweg inakzeptabel war, gab es doch schon bei den Darstellungen des Antlitzes Christi in den Katakomben dafür geradezu ein heiliges Gesetz. Schließlich bestätigen die Medaillons ihrerseits die Entsprechung mit dem Volto Santo.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Nach dieser kurzen Darlegung der heutigen messtechnischen und mathematischen Erforschung des Volto Santo und seiner Entsprechungen mit dem Antlitz auf dem Grabtuch von Turin und den Christusdarstellungen in den Katakomben sowie auf dem Reliquienkreuz Justins II. lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:

Giulio Fanti

„Ich habe die das Tüchlein von Manoppello betreffenden Daten nochmals analysiert und kann nunmehr sagen – wenngleich ich, im Gegensatz zur Turiner Reliquie, nicht so sicher sein kann, dass es sich dabei um eine Acheropita handelt –, dass ich der Idee, das Bild könnte übernatürlichen Ursprungs sein, positiv gegenüberstehe. Warum? Die Gründe sind Folgende:

Form und Größe des Volto Santo von Manoppello entsprechen dem des Grabtuches.

Das Bild auf dem Tüchlein zeigt einige rotbraune Flecken, die räumlich mit den erkennbaren Wunden auf dem Antlitz des Grabtuches in Beziehung gebracht werden können.

Nicht alle Flecken sind auf dem Tüchlein wiedergegeben, wie dies wohl ein hypothetischer Maler beim Kopieren des Volto Santo vom Grabtuch gemacht hätte; so fehlt z.B. die auffallende ,umgekehrte 3‘ auf der Stirn, fast um zu beweisen, dass das Volto von Manoppello zu einem Zeitpunkt vor der Imprägnierung des Grabtuchbildes entstand (möglicherweise auf dem Weg zum Kalvarienberg).

Die blutähnlichen Flecken befinden sich an den gleichen Stellen, aber in etwas anderer Form, was eine mögliche Entwicklung derselben sowie eine Imprägnierung in einem anderen Kontext nahelegt.

Einige Pigmente finden sich auf beiden Seiten des Tüchleins, nicht aber in der Mitte. Somit hätte der hypothetische Maler das gleiche Bild zweimal malen müssen.

Die fehlende Fluoreszenz des Bildes im UV-Licht ist ein Hinweis darauf, dass die Pigmente nicht mit den traditionellen Farbbindemitteln tierischen Ursprungs gemischt wurden.

Die Bilder auf der Vorder- und Rückseite sind bei der Beleuchtung von Vorder- und Rückseite nicht vollkommen deckungsgleich: einige Details stimmen nicht überein. Dies lässt an viel komplexere Mechanismen bei der Bildentstehung denken (zum Beispiel beim einen oder andern blutähnlichen Fleck oder bei einigen Details im Mundbereich).

Byssus- oder Leinenfäden können mit aquarellähnlichen Techniken bemalt werden, doch würde es aufgrund der Engmaschigkeit dabei zu deutlichen Verwischungen kommen; solche sind auf dem Tüchlein nicht wahrnehmbar.

Die nicht einfach zu reproduzierende Schwellung des rechten Jochbogens legt nahe, dass der betroffene Mensch schwer misshandelt wurde.

Daraus schließe ich fürs Erste, dass das Tüchlein von Manoppello – in Ermangelung weiterer notwendiger wissenschaftlicher Analysen zur Vertiefung des Arguments – der Schleier der Veronika sein könnte, der dazu benutzt wurde, das Antlitz Jesu auf dem Weg zum Kalvarienberg zu trocknen.“14

Bei der Untersuchung weiterer Abbildungen, die als Acheropita, als „nicht von Menschenhand gemacht“, bezeichnet werden, wie die Jungfrau von Guadalupe und Absam in Tirol, stellte Fanti zudem fest, dass diese Bilder zwar untereinander verschieden sind, „aber gleichzeitig Eigenschaften aufweisen, die ein Künstler nur schwer hätte erstellen können: Das Natürliche zeigt sich daher nicht in einer einzigen typischen ,Maltechnik‘“15.

Andreas Resch

Meine Untersuchungen der Entsprechungen des Antlitzes auf dem Schleier von Manoppello, dem Volto Santo, mit dem Antlitz auf dem Grabtuch von Turin, den Christusdarstellungen in den Katakomben und den Christusmedaillons auf dem Reliquienkreuz Justins II. anhand der an Orientierungs- und Konkordanzpunkten am Volto Santo und dem Antlitz auf dem Grabtuch geeichten Skizze führten zu folgenden Feststellungen:

Die Entsprechungen des Antlitzes auf dem Schleier von Manoppello und auf dem Grabtuch weisen eine Signifikanz auf, die bei 100% und somit jenseits jeden Zufalls liegt.

Das Antlitz auf dem Volto Santo und auf dem Grabtuch sind Abbilder ein und derselben Person.

Die Gestaltung der Gesichtszüge auf Grabtuch und Schleier erfolgte „nicht von Menschenhand“.

Jeder Versuch, das Volto Santo mit irgendeiner Maltechnik zu erzeugen, ist bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt, weil das Bild auf beiden Seiten zu sehen ist.

Der eigentliche Prozess der Bildwerdung auf dem Schleier ist nicht erklärbar.

Abb. 32: Volto Santo dreidim.

Die ursprüngliche Bildimprägnation auf dem Schleier muss zwischen Geißelung und Kreuzigung erfolgt sein. Dafür sprechen der Bildausdruck eines geschundenen, aber selbstbewussten lebenden Mannes, die Quetschung der Nasenspitze sowie die Anschwellung des rechten Jochbogens und der Nasenscheidewand (Abb. 32).

Die Entstehung des Volto Santo und seine Entsprechung mit dem Antlitz auf dem Grabtuch ist als paranormal zu bezeichnen.

Die hochsignifikante Übereinstimmung der Antlitze von Grabtuch und Schleier mit Christusdarstellungen aus dem 3. bis 6. Jahrhundert beweist, dass es bereits zur damaligen Zeit strenge Proportionsnormen für die bildliche Darstellung des Antlitzes Christi gab, und die Merkmale für diese Normen können nur vom Volto Santo stammen. Vom Antlitz auf dem Grabtuch als Negativ, das zudem nur auf eine bestimmte Entfernung hin deutlich sichtbar wird, lassen sich keine so genauen Proportionsdaten entnehmen.
Die Aussagen der Seherin Maria Valtorta decken sich mit den Ergebnissen der empirischen und mathematischen Erkenntnisse, sodass an eine mystische Audition zu denken ist.

GW 56 (2007) 2, 99-124

Anmerkungen:
1 V. Donato: Il Volto di Manoppello (2000).
2 A. Resch: Das Antlitz Christi (22006).
3 G. Fanti: Manuskript vom Februar 2007 (Übersetzung Resch).
4 Ebd.
5 A. Resch: Das Antlitz Christi (22006).
6 R. Allegri/Paul O. Schenker: Das „Volto Santo“ von Manoppello (1978).
7 W. Bulst/H. Pfeiffer: Das Turiner Grabtuch und das Christusbild. Bd. II (1987).
8 A. Resch: Paranormologie und Religion (1997).
9 B. P. Schlömer: Der Schleier von Manoppello und das Grabtuch von Turin (1999, 22001).
10 A. Resch: Das Antlitz Christi (2004, 22006).
11 P. Badde: Das Muschelseidentuch (2005).
12 M. Valtorta: Il Poema del Uomo-Dio. Bd. 10 (1975).
13 G. Fanti/R. Marconi: The double superficialità of the frontal image of the Turin Shroud (2004).
14 G. Fanti: Manuskript vom Februar 2007 (Übersetzung Resch).
15 Ebd.
Literatur:
Allegri, Renzo/Schenker, Paul O.: Das „Volto Santo“ von Manoppello. Das Zeichen Mariens 12 (1978) 7.
Badde, Paul: Das Muschelseidentuch: Auf der Suche nach dem wahren Antlitz Jesu. Berlin: Ullstein, 2005.
Bulst, Werner/Pfeiffer, Heinrich: Das Turiner Grabtuch und das Christusbild. Bd. II: Das echte Christusbild: Das Grabtuch, der Schleier von Manoppello und ihre Wirkungsgeschichte in der Kunst mit einem Anhang von Gino Zaninotto. Frankfurt a.M.: Josef Knecht, 1991.
Donato, Vittore: Il Volto di Manoppello: Un dipinto? Le ultime indagini. Il Telo. Rivista di Sinologia (gennaio/aprile 2000), 35-37.
Fanti, Giulio, Manuskript vom Februar 2007.
Fanti, Giulio/Marconi, Roberto: The double superficialità of the frontal image of the Turin Shroud. Journal of Optics A: Pure and Applied Optics 6 (2004), 491-503.
Resch, Andreas: Paranormologie und Religion. Innsbruck: Resch, 1997 (Imago Mundi; 15).
Resch, Andreas: Das Antlitz Christi: Grabtuch, Veronika. Innsbruck: Resch, 22006.
Schlömer, Blandina Paschalis: Der Schleier von Manoppello und das Grabtuch von Turin/Andreas Resch (Hrsg.). Innsbruck: Resch, 22001.
Valtorta, Maria: Il Poema del Uomo-Dio. Ed. dell’anno Santo 1975. Bd. 10: L’evangelo come mi è stato rivelato. Isola del Liri: Pisani, 1975.