Andreas Resch: Raphael Arnáiz Barón

RAPHAEL ARNÁIZ BARÓN
(1911-1938)

ORDENSBRUDER DER
REFORMIERTEN ZISTERZIENSER
STRENGER OBSERVANZ
(TRAPPISTEN)

Heilig: 11. Oktober 2009
Fest: 26. April

RAPHAEL ARNÁIZ BARÓN wurde am 9. April 1911 als Sohn des Forstingenieurs Rafael Arnáiz y Sánchez de la Campa und der Maria Mercedes Barón Torres in Burgos, Spanien, geboren und am 21. April auf den Namen Raphael Arthur Alvaro Josef getauft. Als der Erstgeborene von vier Geschwistern, von denen sich drei dem Herrn weihten, verbrachte er seine Kindheit in einer zutiefst christlichen bürgerlichen Familie. Nach der Firmung Ende 1913 und der Zulassung zur Erstkommunion im Oktober 1919 ging er – bis zum Besuch des Gymnasiums bei den Jesuiten und häufig durch Krankheit unterbrochen – zunächst in Burgos zur Schule und dann ab 1922, als sein Vater nach Asturien versetzt wurde, in Oviedo, wo er 1929/30 das universitäre Bakkalaureatsdiplom in Naturwissenschaften machte. Gleichzeitig studierte er dort Entwurf und Malerei und bereitete sich auf den Kurs in Architektur vor.

Am 26. April 1930 inskribierte Barón an der Hochschule für Architektur in Madrid, wohin er aus Gründen seines Studiums am 17. September 1932 übersiedelte. Als Philanthrop mit einem ausgeprägten Kunstempfinden wusste er Lebensfreude mit intensiver Frömmigkeit zu verbinden. So folgte er einem wohlgeordneten und anspruchsvollen Lern- und Lebensprogramm, in dem auch ein ausgedehnter täglicher Besuch beim Allerheiligsten seinen Platz hatte. Zudem belegte er einen Kurs für Apologetik und schrieb sich in die Vinzenzkonferenz und die Gesellschaft der Nächtlichen Anbetung ein. Von jeher dem Ordensleben zugeneigt, war es schließlich die Lektüre der Biografie des französischen Trappistenbruders Gabriel Mossier aus der Abtei von Chambarand, Du champ de battaille à la Trappe (Paris, 1950), die ihn zum Kloster San Isidro de Dueñas – allgemein „La Trappe“ genannt – führte, das er schon 1931 besucht hatte und wo er ein Jahr später wieder zu geistlichen Exerzitien einkehrte. Dadurch wurde sein Geist offen für das, was sich als „sein Leben“ abzuzeichnen begann.

Von 15. Januar bis 25. Juli 1933 musste Barón im Regiment der „Pioniere / Mineure“ in Oviedo seinen Militärdienst ableisten. Im darauf folgenden Oktober schrieb er sich für das zweite Jahr in Architektur ein. Am 2. November teilte er seiner Mutter mit, dass er das Universitätsstudium aufgeben wolle, und am 19. November ersuchte er in einem Brief an den Abt von San Isidro de Dueñas um Aufnahme in die dortige Gemeinschaft. Im Dezember 1933, noch vor Weihnachten, brach er sein Studium plötzlich ab und trat am 15. Januar 1934 als Chorpostulant bei den Trappisten des Klosters San Isidro de Dueñas ein.
Nach dem Probemonat begann Barón am 18. Februar 1934 unter dem Namen Bruder Maria Raphael das Noviziat. Trotz des sehr strengen Trappistenlebens, das durch die auferlegten Restriktionen des aufflammenden Bürgerkrieges noch an Härte zunahm, war Barón ein begeisterter Chornovize, der stets ein Lächeln auf den Lippen trug.

Nach einer ersten strengen Fastenzeit, die er intensiv und freudig beging, zwang ihn das plötzliche Auftreten eines schweren Diabetes mellitus am 26. Mai 1934 zur Heimkehr. Nachdem er sich teilweise erholt hatte, ging er Ende Juli anlässlich einer internen Feier der Kommunität wiederum für drei Tage nach San Isidro. Dabei fühlte er sich dem Ideal, das ihm so teuer war, immer stärker verbunden, wie auch aus seiner am 19. September 1934 begonnenen Schrift Apologia del Trapense hervorgeht, womit er auf das von vielen seiner Familie geäußerte Unverständnis bezüglich seiner Entscheidung antworten wollte. „Vor allen Dingen Gott, immer Gott und nur für Gott!“

Nachdem Barón durch die gezielten und beharrlichen Therapien seine Gesundheit teilweise wiedererlangt hatte, bat er die Oberen mindestens dreimal – und mit Erfolg –, wieder in das Trappistenkloster zurückkehren zu dürfen, und sei es auch nur als einfacher „Oblate“, da die kirchlichen Vorschriften es nicht zuließen, dass jemand in seiner Verfassung das Noviziat machte und die Gelübde ablegte. So trat Barón am 11. Januar 1936 neuerlich in San Isidro ein, eben in der Funktion eines einfachen Oblaten, weil er der strengen Observanz, die den Professen durch die Trappistenregel auferlegt war, aus gesundheitlichen Gründen nicht gewachsen war. Als er am 26. September zu den Waffen gerufen wurde, verließen er und einige Mitbrüder das Kloster. Seine Krankheit machte jedoch bald klar, dass er für den Militärdienst nicht geschaffen war, weshalb er nach einem kurzen Aufenthalt bei den Seinen in Villasandino am 6. Dezember in das Kloster zurückkehrte. Eine neuerliche Erkrankung zwang ihn schließlich, dieses am 7. Februar 1937 zu verlassen. Wieder zu Hause, wurde er zu einer Kontrolle in das Militärspital von San José in Burgos beordert, wo man ihn jedoch als „für den Militärdienst völlig ungeeignet“ erklärte und in Freiheit entließ.

Am 15. Dezember 1937 kehrte Bruder Maria Raphael zum vierten Mal in das Kloster zurück. Sich seiner Bestimmung inzwischen bewusst, beschreibt und begründet er in einem der schönsten Abschnitte seiner zahllosen Schriften, der an einen im Krieg befindlichen Mitbruder gerichtet war, diese seine umfassende Antwort auf die Liebe, um seinen Wiedereintritt in das Kloster gleichsam zu rechtfertigen.

„Wenn du all die Sünder, Armen, Kranken und Aussätzigen im Gefolge Jesu sehen würdest, wie Er dich ruft und dir einen Platz an seiner Seite anbietet, wie er dich mit Seinen göttlichen Augen anblickt, die Liebe, Mitgefühl und Vergebung ausstrahlen, und Er dich fragen würde: ,Warum kommst du nicht mit mir?’ – Was würdest du tun? (…) Du würdest dich ihm anschließen – wenngleich als Letzter, als Letzter wohlgemerkt! – und du würdest zu ihm sagen: ,Ich komme, Herr, meine Leiden sind nicht wichtig für mich, auch nicht der Tod oder das Essen und Schlafen – wenn Du mich annimmst, komme ich (…), weil Du allein meine Seele von neuem erfüllst.“

Mit der Gesundheit von Bruder Raphael ging es jedoch zunehmend bergab, und so war er sogar gezwungen, mehr als fünf Monate auf der Krankenstation zu verbringen, wo er sein Leiden in beständigem Gebet und in gelassener, freudiger Hingabe an den göttlichen Willen ertrug. Tatsächlich verlief sein Leben geradlinig und klar und ganz auf Gott ausgerichtet: „Ich weiß weder, was ich will, noch was ich möchte, noch ob ich es möchte oder will… Meine Seele befindet sich in einem Strudel. Manchmal glaube ich, dass mein Herz bereits leer sei, dann wieder merke ich, dass dem nicht so ist.“

All diese inneren Erlebnisse entsprangen dem inbrünstigen Wunsch, aus der Nutzlosigkeit des Lebens auszubrechen. „Ich möchte nicht atmen, noch möchte ich sprechen oder die Augen vom Boden erheben… Ich möchte nicht schlafen und auch nicht ausruhen… Ich möchte sterben oder leben, auf jeden Fall aber „etwas“ Dir zuliebe tun…, dieses unnütze Leben, das ich führe, ist schrecklich.“ Dieses Gefühl der inneren Leere überwand Bruder Raphael durch ein intensives Gebetsleben, das von der unwiderstehlichen Anziehungskraft Christi in der Eucharistie und von einer grenzenlosen Hingabe an die Gottesmutter gekennzeichnet war.

Hinzu kommt das ganz besondere Charisma seines umfangreichen literarischen Werkes, genannt „Zeugnis“, ein Genre, das in der christlichen Literatur unter „autobiografisch“ eingereiht wird. Es ist beeindruckend zu sehen, wie ein junger Laie, der zwar Kurse für religiöse Bildung in Form freier Teilnahme besucht, aber weder Philosophie noch Theologie studiert hat und der nicht einmal des Lateinischen mächtig war, eine derart tiefe Kenntnis vom „Mysterium des Kreuzes“ erlangen konnte, getragen von einer außergewöhnlichen Klarheit und Erfahrung mystischen Lebens.

Dieses Gefühl der Identifikation mit dem Herrn auf plastische Weise darstellend, zeichnete er mit seinem Scharfsinn, seiner Sensibilität und künstlerischen Begabung nicht nur die Gestalt Christi als den Prototyp des Martyriums, sondern auch den „Berg der Vervollkommnung“ mit seinem steilen und unwegsamen Pfad. Sein Suchen nach Liebe und vor allem nach der Vereinigung mit Christus gipfelten in einem Einsatz für den Glauben und der Hingabe an Gott, im eingehenden Wunsch der Teilnahme am „Mysterium des Kreuzes“.

Am 26. April 1938 beschloss er letztendlich unter unsäglichen Schmerzen und vielfältigen Prüfungen und in voller und freudiger Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen sein irdisches Leben. Noch wenige Tage vor seinem Tod hatte er in der Erlaubnis seiner Oberen, die Kukulle der Professen tragen zu dürfen, die höchste Tröstung erfahren, wobei er eine lebendige Erinnerung an ein bescheidenes, sanftes Heldentum hinterließ.

Die Beisetzung erfolgte zunächst auf dem Friedhof des Klosters, später in der Abteikirche „La Trappa“ des Zisterzienserklosters San Isidro de Dueñas, Venta de Baños (Palencia), Spanien. Der Ruf seiner Heiligkeit verbreitete sich rasch, vor allem aufgrund der asketischen Schriften, die Barón nie für die Veröffentlichung aufbereitet hatte. Sie finden sich mittlerweile in einem Sammelband mit dem Titel Hermano Rafael Obras Completas (Bruder Raphaels Gesammelte Werke, 857 Seiten). Seine Malereien und Graphiken sind in dem Buch La pintura y el mensaje del H. Rafael (Die Malerei und die Botschaft von Bruder Raphael, 245 Seiten) wiedergegeben und kommentiert.

Am 11. Oktober 2009 wurde Raphael Arnáiz Barón von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen, nachdem ihn Papst Johannes Paul II. am 27. September 1992 seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Benedikts XVI. 2005 – 2012. Innsbruck: Resch, 2013, XII, 204 S., 48 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-096-4, Ln, EUR 25.90 [D], 26.60 [A]

Bestellmöglichkeit: info@igw-resch-verlag.at