Andreas Resch: Maria Repetto

MARIA REPETTO
(1807-1890)

ORDENSFRAU
DES INSTITUTS
UNSERER LIEBEN FRAU
VON DER ZUFLUCHT AUF DEM KALVARIENBERG

Selig: 4. Oktober 1981
Fest: 5. Januar

MARIA REPETTO wurde am 31. Oktober 1807 als Tochter des Notars Johann Baptist Repetto und der Theresia Gazzale in Voltaggio (Alessandria), Italien, geboren und am gleichen Tag auf den Namen Maria getauft. Ihre Kind­heit verbrachte sie im Kreise der Familie, und da sie die Erstgeborene unter elf Geschwistern war, half sie schon bald der Mutter bei der häuslichen Arbeit. Am 25. Juli 1815 wurde sie gefirmt und empfing 1817 die Erstkommunion, was in ihr den tiefen Wunsch entfachte, in einer Einheit mit Jesus zu leben und nichts als ihm treu zu sein.

Obwohl nicht bekannt ist, wie lange Maria die Schule besuchte, so hatte sie jedenfalls Freude am Lesen, wobei ihr Heiligenbiographien besonders zusag­ten. Andererseits ist nicht zu leugnen, dass sie auch viel von ihrem gebildeten Vater gelernt hatte. Von der Mutter erbte sie, außer häusliches Geschick, die Kunst des Stickens, Flickens und der Spitzenerzeugung. Im Jahre 1820, als sie 13 Jahre alt war, wurde die Familie vom frühzeitigen Tod zweier Kinder getrof­fen.

All ihre Erfahrungen im Umfeld einer Großfamilie ließen in Maria ein tiefes Empfinden für die kleinen Bedürfnisse der Menschen im Ort wach werden. Nahezu sämtliche Bewohner von Voltaggio waren Bauern, und Männer wie Frauen arbeiteten fast unentwegt auf den Feldern und hatten keine Zeit für häusliche Belange. Maria erkannte die Situation und organisierte gemeinsam mit ihrer Schwester Josefa „Hausbesuche“, um im jeweiligen Haushalt tat­kräftig mitzuhelfen. Wenn sie die Arbeit bei Tag nicht schafften, nahmen sie die Kleider zum Waschen, Flicken, Bügeln und Erneuern schlichtweg mit nach Hause. Das dauerte dann mitunter bis in die Nacht. Gleichzeitig interessierte sich Maria für die völlig mittellosen Familien und gab ihnen, was sie besaß.

Um das 20. Lebensjahr fühlte sie sich immer mehr zum Ordensleben beru­fen. Sie betete doppelt so viel, bewahrte ihr Geheimnis aber im Herzen, um es den Eltern erst zu offenbaren, als die Schwestern und der Bruder, die noch in der Familie lebten, groß genug waren.
Mit ca. 22 Jahren trat sie am 7. Mai 1829 in Genua als Postulantin in das Konservatorium der Schwestern Unserer Lieben Frau von der Zuflucht auf dem Kalvarienberg ein, welche volkstümlich Brignoline genannt wurden. Der erste Name stammt von jenem Stadtteil, in dem die Selige Virginia Centurione Bracel­li (1587 — 1651) ihr Institut gründete; der zweite geht auf deren großzügigsten Förderer, den Genueser Patrizier Emanuel Brignole, zurück. Maria brachte die ihr vom Vater überlassene notwendige Mitgift ein, die ihr Ausstattung und Unterhalt für ein ganzes Leben garantierte sowie ein jährliches Taschengeld, das sie mit Erlaubnis der Oberin für wohltätige Zwecke verwenden durfte. Gemäß den Konstitutionen des Instituts hatte eine Postulantin die Wahl zwi­schen einer „Chorschwester“ und einer „Laienschwester“ bzw. „Pförtnerin“. Aufgrund ihrer Fähigkeiten und Vorbereitung und da sie die nötigen Kenntnis­se und erwiesenermaßen auch Gesclhcklichkeit in Handarbeiten besaß, ent­schied sich Maria für „Chorschwester` und wurde nach zweijähriger Probezeit am 15. August 1831 als solche aufgenommen. Privat legte sie die Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams ab, wie es das Institut erlaubte, das sich im Grunde nicht aus „Klausurschwestern„ zusammensetzte. Erst im 20. Jahr­hundert wurden die Brignoline „Schwestern“ mit allen Rechten, deren römi­scher Zweig, die Schwestern Unserer heben Frau von der Zuflucht am Kalvari­enberg, 1933 entstand, und der Genueser Zweig, die Schwestern Unserer Lieben Frau von der Zuflucht auf dem Kalvarienberg, 1953.

Als Maria zwischen der Arbeit innerhalb der Gemeinschaft des Konservatori­ums und außerhalb derselben wählen nusste, entschied sie sich für den Ver­bleib in der Kommunität, weil sie es sch bereits bei ihrem Eintritt zur Bedin­gung gemacht hatte, das Mutterhaus nie zu verlassen, obwohl sie wusste, dass dies gegen die Gepflogenheiten der Briaoline war.

In den ersten Jahren ihres Ordenslebens verrichtete Maria Näh- und Flickar­beiten im Arbeitsraum und wähnte sichdabei — beim Beten und Meditieren — in einer steten Verbindung mit Gott. Nachsechs friedvollen Jahren brach 1835 in Genua die Cholera aus. Die Selige bot, unter Hintansetzung ihres einstigen Vor­satzes, spontan ihre Hilfe an, begab sich furchtlos mitten unter die Sterbenden und ging in ihrem Dienst dort völlig auf. Was genau Sr. Maria in diesen Mona­ten getan hat, ist nicht bekannt. Tatsache ist, dass sie schon nach ihren ersten Einsätzen 1835 von den Leuten die „heilige Nonne“ genannt wurde. Sie fiel auf unter den Dutzenden Mitschwestern, die bessere Krankenpflegerinnen waren und eine hübschere Erscheinung hattenals sie, die so klein und einfach war.

Als Maria nach Monaten der totalen Selbstaufgabe wieder in ihren Werk­raum zurückkehrte, versenkte sie sich noch mehr als früher in Gebet und Schweigen. Bereichert durch tiefe Erfahrungen und umgeben vom Ruf der Hei­ligkeit widmete sie sich für weitere zehn Jahre ihren Stickereien. 1848 wurde Sr. Maria mit der Betreuung des Speisesaales betraut, um dann erneut in ihren alten Arbeitsbereich zu wechseln.
Im Sommer 1854 brach eine weitere Cholerawelle über Genua herein, und wieder war Maria unter den Freiwilligen und Auserwählten. Bei den Epidemien von 1866, 1873 und 1884 wurde die inzwischen über Sechzigjährige trotz in­brünstigen Bittens nicht mehr zu den Kranken geschickt und so versuchte sie statt dessen, mit ihrem Gebet zu helfen.

Als Maria den Pfortendienst übernahm und ständig mit Leuten in Kontakt kam, denen es an Brot und noch öfter an geistigem Trost mangelte, stieg ihr Ruf der Heiligkeit von Tag zu Tag. Die Menschen spürten schon bald ihr Charisma, und so zog sie, ohne es zu wissen, die heisten Leute an. Das ging so weit, dass ihr die Oberen den Umgang mit den Armen eines Tages sogar verboten, einer­seits um Eifersüchteleien seitens der Schwestern zu vermeiden und, anderer seits, um gewisse Störungen, die der Kommunität dadurch entstanden, zu un­terbinden. Maria gehorchte, bis die Oberen das nur einige Monate währende Verbot widerriefen. Den Armen kam ihre Mildtätigkeit zugute, die sie ihr gan­zes Leben lang übte und die so beeindruckend war, dass das Institut diese auch nach ihrem Tod weiterführte. Den einen, die um ein Almosen baten, gab sie ei­nen Obolus; den anderen, die um persönliche Hilfe ersuchten, spendete sie Trost und die Kranken empfahl sie dem hl. Joseph.

1868 wurde auf dem Terrain der Brignoline der neue Bahnhof gebaut, und so übersiedelten die Schwestern in den von ihnen erworbenen Palast Monticelli in der hochgelegenen Zone von Marassi. An die dortige Pförtnerstube schloss sich ein langer Gang an mit einer Statue des hl. Joseph am anderen Ende, wo Maria ständig unterwegs war – einmal um in die Kirche zu gehen, ein andermal um die Pforte zu öffnen, um Almosen zu geben, Trost zu spenden, oder Zwiespra­che mit dem hl. Joseph zu halten, an den sie die Hilfesuchenden gerne verwies, während sie kleine Andachtsbildchen, die so genannten „giuseppini“, verteilte und außergewöhnliche Gnadenerweise erhielt.

In dieses Einvernehmen zwischen dem hl. Joseph und Sr. Maria war auch der heilige Kapuziner Franziskus Maria von Camporosso (1804 – 1866) einbezo­gen. Die beiden haben sich nie kennengelernt, und doch kannten sie sich und tauschten ihre „Schutzbefohlenen“ untereinander aus, um höhere Gnaden zu erlangen. Wenn Maria um einen wichtigen Rat gefragt wurde, um einen Trost in angstvollen Momenten, ging sie ganz in sich, als stünde sie außerhalb der Welt, um jene besonderen Botschaften zu erhalten, die sich in so vielen Fällen einstellten.
Zu Marias außergewöhnlichen Gaben gesellten sich noch ein besonderes Ge­spür für Berufungen, eine gewisse Art der Präkognition und eine Intuition für das Verborgene. Deswegen und wegen ihres Lächelns und ihrer gewinnenden Heiterkeit bei völliger Selbstaufgabe wurde sie die „heilige Nonne“ genannt.

Nachdem Sr. Maria, die mittlerweile aus dem Pförtnerdienst abgezogen wor­den war, am 31. Oktober 1887 ihren achtzigsten Geburtstag gefeiert hatte, be­gannen ihre Kräfte zu schwinden; Gehör und Sehvermögen nahmen ab, so dass sie im Winter 1889 in die Krankenabteilung überstellt wurde – nicht so sehr wegen eines bestimmten Leidens, sondern wegen ihrer zunehmenden körperli­chen Schwäche. Am 5. Januar 1890 breitete sie wie zum Gruß die Arme aus und rief mit klarer Stimme: „Freu‘ dich, du Himmelskönigin! Halleluja!“ Dann hauchte sie ihren Geist aus.

Ihre sterblichen Überreste ruhen in der Kapelle der Schwestern U. L. F. von der Zuflucht auf dem Kalvarienberg, Viale Centurione Bracelli, 13, Genua.

Am 4. Oktober 1981 wurde Maria Repetto von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.


RESCH, ANDREAS: Die Seligen Johannes Pauls II. 1979 – 1985. Innsbruck: Resch, 2000 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 1). XII, 248 S., 56 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-070-4, Ln, EUR 24.60 [D], 25.44 [A]

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